auf der Bühne • im Berufsleben • privat
"Die ganze Welt ist Bühne
und all die Männer und all die Frauen schlichte Spieler.
Sie haben ihre Abgänge und ihre Auftritte
und ein Mensch in seiner Zeit spielt viele Rollen."
Shakespeare: Wie es Euch gefällt.
Es ist hilfreich, sich bewußt zu machen, daß ein Jeder von uns,
ständig wechselnde Rollen
vor einem sich ständig wechselnden Publikum spielt.
Ein Jeder - also auch Sie.
Gerade in diesem Moment sind Sie in der Rolle eines Lesenden und ich in der eines Schreibenden. Wenn Sie das getan haben werden, mögen andere Rollen auf Sie warten, zum Beispiel, die des Erziehers, sei es als Vater oder als Mutter
und / oder
die eines Liebhabers, einer Liebhaberin, Schuldeneintreibers /-ins;
vielleicht sogar - wie ich hoffe nicht - die eines Mörders / einer Möderin oder der eines Vergewaltigers, einer Vergewaltigerin.
Jede Rolle hat ihre spezifischen Regeln und keine Rolle ist so wie eine andere und keiner erfüllt eine Rolle so wie es ein Anderer tun würde. Auf der Bühne im Theater gilt dies als eine Selbstverständlichkeit, die Callas, um eine Protagonistin der Opernbühne zu nehmen, erfüllte ihre Rollen anders als es zum Bespiel Diana Damrau heute tut. Ihre jeweiligen Rollenportraits sind einmalig und unverwechselbar - und so ist es auch im alltäglichen Leben. Wenn ich ein Geschäft betrete, in der Rolle eines Käufers mache ich das anders als es die Person tun wird, die nach mir das Geschäft betreten wird und auch die Verkäufer werden - auch wenn diese den Anspruch haben sollten, jeden Kunden gleich zu behandeln - anders zu mir sein als sie es zum Kunden vor mir waren oder nach mir sein werden.
Je mehr, wir es uns erlauben, es uns bewußt zu machen, daß dies nicht wir sind, die als Käufer in ein Geschäft gehen, sondern wir in einer Rolle, desto leichter und spielerischer können wir mit den auf uns zukommenden Herausforderungen umgehen.
Es ist sehr viel leichter zu verändern wie ich eine Rolle spiele, als es für mich wäre, 'mich' zu verändern und je mehr ich das kann, je größer mein diesbezügliches Handwerk ist, desto freier bin ich in meinen Handlungen und desto leichter erreiche ich meine Ziele.
In einem jeden von uns, stecken gewaltige, in den seltensten Fällen im vollen Umfang erkannte, geschweige denn genutzte Möglichkeiten. Etliche Werke des Theaters, des Film und der Literatur handeln von nichts anderem, als dem Entdecken und zur Entfaltung gebrachter innerer Möglichkeiten.
Auch wenn es mein Anspruch ist, authentisch zu sein, so bin ich doch in meinen verschiedenen Rollen unterschiedlich; ich handle, agiere, ja denke und fühle anders, wenn ich zum Beispiel in meiner Rolle als Coach agiere, als ich dies, um ein weiteres Beispiel zu nennen, in meiner Rolle als Einkaufenden, oder in der eines, im Fitnesstudio Trainierenden, eines Freundes, Liebhabers oder in meiner Rolle als Gast bei einem gesetzten Essen, etc... tun würde.
Ich muß, will und soll auch nicht immer alles, was ich bin und kann ausspielen; dies würde nicht nur mich auf die Dauer überfordern, sondern auch meine Umwelt massiv irritieren.
Die allermeisten Menschen machen das so weit mehr oder minder instinktiv, sie schlüpfen in Rollen und agieren in diesen unterschiedlich.
Für mich als systemischen Coach wird es interessant, in welchem Masse, ich mir eine eigene und innere Überzeugung für eine Rolle erarbeitet habe, d.h. in wie weit ich mir bewußt gemacht habe, wie ich es für mich in den verschiedenen Rollen richtig ist zu sein - in gelegentlicher Diskrepanz zu dem, wie ich von meiner Umwelt gelernt habe und es von dieser erwartet wird, wie ich diese Rollen 'richtig' spiele.
Je weniger diese Diskrepanz bewußt gemacht, geklärt ist, desto leichter und häufiger fällt man aus der Rolle, denn welchen Vorgaben folge ich bewußt und vor allem unbewußt, den Meinigen, in mir Schlummernden oder den auf mich konfrontativ zukommenden, erlernten Erwartungen Anderer.
Bemerkenswerterweise haben wir alle eine Vorstellung, wie die Rollen des täglichen Lebens ausgefüllt, interpretiert und gespielt werden sollen - und gehen oftmals davon aus, daß es darüber einen Konsens gäbe - nur wann und wie wäre dieser Konsens gebildet worden?
Es ist immer wieder erschütternd zu betrachten, wie in einer schlechten Aufführung auf der Bühne aber auch auf der Bühne des täglichen Lebens, Rollen klischeehaft dargestellt werden; es wird eine Oberfläche bedient. In Seminaren bitte ich gelegentlich die Teilnehmenden Rollen einzunehmen, diese zu spielen, zu interpretieren und zwar so, daß Uneingeweihte erkennen, welche Rolle gerade eingenommen wird. - Das Ergebnis ist immer das Gleiche, solange der Darsteller sich in Äusserlichkeiten übt, wird die Rolle erkannt; das heißt, wir wissen, wie eine Rolle agiert, wie sie sich bewegt und vielleicht auch wie sie reagiert - darüber gibt es diesen erwähnten Konsens - was wir nicht wissen ist, wie sich der Darsteller in einer Rolle fühlt, wie er sie ausfüllt und das gibt einer Rolle erst die Fülle, den Charakter - auf der Bühne ebenso wie im alltäglichen Leben.
Das Leben als Bühne und die Bühne ein Spiegelbild unserer Realität - was sehen wir, wenn wir in diesen Spiegel sehen?
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